FLASCHENPOSTLESUNG [aus den Memoiren von Ringelnatz]

 

In der Nähe der französischen Insel Martinique ließ ich eine Flaschenpost los. In eine leere Buttel tat ich Nägel und ein Kärtchen an Vater, das ich kuvertierte und adressierte, außerdem einen Zettel, darauf ich den ehrlichen Finder bat, den Brief zu befördern. Ich verkorkte und versiegelte die Flasche, steckte ein Fähnchen in den Pfropfen und fettete diesen nochmals mit Margarine ein. Dann warf ich die Flasche über Bord. Infolge der Schwere der Nägel tanzte sie aufrecht stehend davon. Lange folgte ich ihr mit den Augen und mit aufgeregter: Fantasie. Das war so, wie einen Luftballon steigen lassen, was mir auch von jeher ein seltsam mich bewegendes Vergnügen gewesen war.

Es sei hier voraus verraten, dass meine Flaschenpost an einer der britischen Kleinen Antillen, der Insel Barbuda, antrieb. Sie wurde gefunden, und der Bürgermeister der Insel sandte den eingelegten Gruß an meinen Vater mit einem Begleitschreiben, das jetzt vor mir liegt:

 

Dear Sir

The bottle containing your message and card thrown overboard from the Ella, 4 days out from Martinique, was picked up on the 8th June by a man living here and brought to me. At your request I forward your card which I have no doubt you will be very glad to get again. I am dear Sir

Yours faithfully

Oliver Nogent

Acting Magistrate Barbuda

British West Indies.

 

Ich hatte schon früher unterwegs wiederholt solche Flaschenpost losgelassen, von denen ich aber nie mehr hörte. Kapitän Pommer hatte mir übrigens diesen Sport verboten. Mit Recht. Denn es war ein hübscher Brauch, dass Schiffe beim Sichten einer Flaschenpost sofort stoppten und sie auffischten, weil sie eventuell die letzten Nachrichten eines untergegangenen Fahrzeuges enthielt.

 

 

mit lyrischem Finale:

Flaschenpost


Sie kämpften vergebens. Der Tod, er winkt.
Das Schiff geborsten. Es sinkt – es sinkt
Hinab in die Tiefe und schaurig klingt
Der Mannschaft Fluchen und Weinen.

 

Nur der Schiffer steht ruhig im wilden Orkan.

 

Er weiß, er hat seine Pflicht getan.
Noch ein scharfer Befehl, dann schließt er sich ein.
Eine Flasche leert er vom köstlichsten Wein
Auf Glück und Segen der Seinen.

 

Es gurgelt im Schiffsraum. Zur Eile ’s ihn treibt.

 

Er greift nach Tinte und Feder.
Des Schiffes Schicksal und Grüße schreibt
Er an Weib und Kind und den Reeder.
Und die letzte Botschaft nach Seemannsbrauch

 

Vertraut er der Flasche gläsernem Bauch,

 

Versiegelt den Hals, dann seufzt er schwer
Und über die Rayling ins brausende Meer
Wirft er das Glas mit dem Briefe.
– Ein Schiff ruht mehr in der Tiefe. –