Wer mit dem Schiff unterwegs ist, wird früher oder später auf Möwen treffen, was nicht heißt, dass es nicht auch an ganz anderen Orten möglich ist, auf Möwen zu treffen, Orte, die nichts mit Schiff zu tun haben. Gerade dann könnten Möwen zur Sehnsucht verleiten, nach Meer, Seefahrt, Schiff ... Was nicht heißt, dass nicht auch ganz andere Empfindungen möglich sind, beim Zusammentreffen mit Möwen. Überlasse ab hier das weitere Monologisieren einem Norweger, der zum Thema Möwen viele Worte und eine kleine Melodie gefunden hat (im Original nachzuhören):
Der Tipp kam von einer halbnorwegischen Freundin, die alles versteht, aber besser auf niederländisch übersetzen könnte. Daher folgt hier eine wahrscheinliche Übersetzung ins Deutsche ...wie gesagt: Monolog.
Ich hasse Möwen... Natürlich nicht immer. Wenn sie wie weißes Papier am Himmel flattern oder ruhig auf dem glänzenden Wasser treiben und wie schöne
Plastikschwimmtiere aussehen, dann sind sie ein natürlicher Teil des Sommerbildes und man denkt nicht viel über sie nach, weder mit Hass noch mit Liebe, aber wenn sie ihren Schnabel öffnen und
wie kranke Seelen schreien, kann man direkt in ihre blutigen, schamlosen Eingeweide sehen. Wenn eine Möwe einen Fischkopf oder einen Darm oder etwas anderes Ekliges ergattert hat und damit im
Schnabel davonfliegt, dann stürzen sich die anderen Möwen auf sie und wollen haben haben haben, und das Ergebnis ist, dass das Zeug ins Wasser fällt und sinkt und keiner von ihnen hat Freude an
dem Ekelhaufen. Möwen haben keinen Gemeinschaftssinn, sie wollen wollen wollen, ich wage nicht daran zu denken, welche Partei sie wählen würden, wenn sie Wahlrecht hätten. Unter solchen Umständen
sage ich mir: Ich bin froh, dass ich keine Möwe persönlich kenne, sodass ich mich einigermaßen höflich ihr gegenüber verhalten müsste. Ich würde keine Möwe wollen, selbst wenn du mir eine
schenken würdest. Wenn ich mir einen Vogel aussuchen müsste, würde ich sagen: Gib mir einen Kellner, der mit den Gläsern klirrt, der
zwischen den Tischen hin und her huscht oder auf mich zu trippelt. Möwen sind dafür bekannt, dass sie in Paaren zusammenbleiben. Angeblich ihr ganzes Leben lang. Sie sind dafür bekannt, ihrem
Partner treu zu sein. Und das finden wir natürlich sympathisch. Aber ich weiß nicht so recht. Wenn ich mit einer schreienden „Ich will, ich will, ich will” verheiratet gewesen wäre, eine
schreiende, innerlich zerrissene, nach Fisch riechende Partnerin, egal wie treu sie gewesen wäre, dann hätte ich vielleicht gedacht, dass es genauso gut wär, dass sie einen anderen gefunden hätte
– nein. Gib mir eine Frau, die mit den Zähnen lächelt, die am Bahnhof steht und fröhlich auf mich zuläuft, ich meine: Die am Bahnhof steht und wartet, wenn ich mit dem Zug aus Oslo oder wo auch
immer ich gewesen bin, ankomme. Ich habe gesehen, an einem Sonntag im Hafen von Lillesand, da habe ich einmal zwei Möwen gesehen, die versuchten, einen schwimmenden Plastikeimer draußen zwischen
den Anlegestellen, zu Kirchenzeit und in Anwesenheit von Kindern, zu vergewaltigen. Möwen benehmen sich manchmal wie Tiere wie gesagt: Ziemlich oft hasse ich Möwen – nein. Gib mir eine Taube, die
ihrem Partner gurrt, die ihr Herz mit Zärtlichkeit und nacktem Geist öffnet, ich hasse Möwen. Aber es gibt viele Dinge, die ich liebe. Lange Zeit war es so, dass ich, wenn ich Menschen traf, die,
wie sich herausstellte, nicht dasselbe hassten oder liebten wie ich, dachte, dass sie verrückt sein müssten. Ich glaube, dass es vielen noch so geht. Nichtraucher zum Beispiel, die ihre Kinder zu
ekelhaften kleinen, nach Kaugummi riechenden Moralisten erziehen, die durch den einzigen Raucherwagen im Zug gehen und sagen: „Igitt. Hier riecht es nach Rauch. Rauchen ist krebserregend.“ Wie
gesagt: Ich hasse Möwen aus den oben genannten Gründen, aber wenn ich jemanden treffe, der Möwen liebt und das auch sagt, oder wenn ich einen Nichtraucher treffe, der der Meinung ist, dass
Raucher keinen Zugang zu öffentlichen Krankenhäusern oder öffentlichen Bahnen haben sollten, sondern hinter z. B. der Vestfoldbahn herlaufen sollten, dann werde ich versuchen, diese Person mit
Verständnis zu betrachten. Aber leicht wird das nicht. Nein.
Gib mir eine Taube, die ihrem Partner gurrt, die ihr Herz mit Zärtlichkeit und nacktem Verstand öffnet. Gib mir einen Kellner, der mit den Gläsern klirrt, der
zwischen den Tischen hin und her flitzt und herantrottet. Gib mir eine Frau, die mit den Zähnen lächelt, die am
Bahnhof steht und fröhlich
auf mich
zuläuft.
[Autoren: Odd Børretzen, Lars Martin Myhre]
