Schiffb uch

 

Um alle Miss-Verständnisse gleich zu klären: da fehlt kein -r- im Titel, die Lücke steht für eine herausgerissene Seite im Buch!!! Habe nämlich jede Menge Schiffslektüre mit an Bord genommen und stöbere nach Lust und Laune herum. Hier mal eine erste Kollektion Satzproviant. Frei zusammengestellt, mit Blick über das ach so endlose Meer ...

 

Forschungsthese: mit der Verkettung der Passagen lässt sich ein gut geheimgehaltenes Schiffsliteraturlotsensystem entschlüsseln, und das heißt: da gibt es noch so einiges an Durchfahrten von Deck aus zu entdecken.

... und wenn alles gutgeht, bringt eine dann auch wirklich mal einen hafen in sicht, wär doch mal wieder fein wo anzulegen ...

 

»Los geht's«, sagte er.

»Wird es lange dauern?«, fragte der Junge.

»Ein Weilchen«, sagte der Bär.

Und das Boot schwankte, schlingerte und hüpfte, als sei die ganze Welt aus den Angeln. Das machte ihn ein bisschen nervös. Er würde froh sein, wenn sie am Ziel ankamen, wieder festen Boden unter den Füßen hatten. Er sah am Bären vorbei über das Wasser, das vor ihnen lag.

»Man kann es von hier noch gar nicht sehen, oder?«, fragte er. »ich dachte, man könnte es sehen.«

»Nein, es ist ziemlich weit«, sagte der Bär.

 

In der Ferne, soweit das Auge reicht, nur Wasser und Wasser, grünliche Wellen und schäumende Wogen, und auf dieser endlosen Wasserfläche dieses eine Schiff, ein verirrter Vogel; oben der Himmel, unten eine Wüstenei, ein großes Rauschen, wie ein Weinen der Flut und ein Pfeifen des Windes, und dort vor dem Schiffsschnabel wird wohl ein neuer Weltteil oder das Ende der Welt sein!

 

Sie holte einmal tief Luft. „Ja. Es ist, als ob man endlich wirklich alles hinter sich lässt.“

Sie fuhr mit der Hand durch die Luft. Die riesige Fläche Wasser vor ihnen hatte etwas Wildes, wie auch die kahlen, bis ans Wasser reichenden Felsmassive ...

 

„Sie haben sich, Mademoiselle, für den gefährlichen Kurs entschieden. So wie wir alle hier auf dem Schiff uns auf eine Reise begeben haben, so haben sie sich auf Ihre eigene private Reise begeben – eine Reise auf einen reißenden Fluss, zwischen gefährlichen Felswänden hindurch, auf wer weiß welche katastrophalen Strömungen zu ...“

„Warum sagen Sie das ?“

„Weil es wahr ist. Sie haben die Seile, mit denen Sie im Sicheren vertäut waren, gekappt. Ich bezweifle, dass Sie jetzt noch zurückkönnten, wenn Sie wollten.“

 

„Privat“, sage ich und lege die Hände auf den Tresen. Ein Anker wäre jetzt gut. Kann mir mal bitte jemand einen Anker zuwerfen? Ich bin da in eine heftige Strömung geraten.

 

Der letzte Purpurschein erlosch auf dem Meer und gleichzeitig entstieg dem Wasser ein Nebel. Am Himmel kamen Sterne zum Vorschein und verschwanden wieder. Der Nebel wurde zusehends dichter und verhüllte den Himmel, den Horizont und das Schiff. Man sah nur noch den Schornstein und den großen Mittelmast, die Gestalten der Matrosen erschienen von weitem wie Schatten. Eine Stunde später war alles von einem weißen Nebel erfüllt, selbst die an der Spitze des Mastes hängende Laterne und selbst die Funken, die der Schornstein ausstreute.

Das Schiff schaukelte nicht mehr, man konnte glauben, der Wellengang sei erschlafft und habe sich unter der Last des Nebels geglättet. Es brach tatsächlich eine stockfinstere und stille Nacht an.

 

»Ich weiß, du hast gesagt, es würde ein Weilchen dauern, aber ich dachte, das heißt eine Stunde oder so, nicht die ganze Nacht. Müssten wir also nicht schon da sein? Oder es jedenfalls sehen können?«

»Ja, richtig, normalerweise wären wir jetzt schon angekommen, aber leider gab es ... unvorhersehbare Anomalien im Strömungsverlauf, und wir mussten unseren Kurs ein wenig anpassen. Darum sind wir jetzt ein klein bisschen verspätet. Tut mir leid.«

»Verstehe«, sagte der Junge. Er verstand gar nichts. »Aber sind wir denn fast da?«

»Eigentlich nicht, nein. Aber alles ist im Lot«, sagte der Bär. »Keine Sorge.«

 

„Menschen aus Hafenstädten haben immer noch Hoffnung“, sagt er, und ich denke, wo ist denn hier ein Hafen, ey, dann heben wir alle unsere Gläser und trinken, wahrscheinlich auf unsere Väter.

 

~

 

P.S. Diese Forschung geht sicher bald in die nächste Runde, neue Routeneroberungsansätze sollte man nicht so schnell aufgeben. Da hebe ich doch das Glas und trinke auf ... hmm ...  Prost!

 

 

Ach ja, der gesammelte Buchbruch stammt aus: Agatha Christie »Tod auf dem Nil«, Dave Shelton »Bär im Boot«, Simone Buchholz »Mexikoring« und Henryk Sienkiewicz »Auf dem großen Wasser«